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[ Kieler Nachrichten vom 10.1.2000 ]

 

Vicelin-Kirche: 10 Jahre GOSPELBOAT

Zu „When the Saints go marchin'' in“ marschiert der Chor aus der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche - gemeinsam mit der Gemeinde, denn zwischen den beiden ist kaum noch ein Unterschied auszumachen. Alle schunkeln und singen vereint den Gospel. Zehn Jahre ist Gospelboat gerade geworden, fast genau auf den Tag, denn am 6. Januar 1990 probte der Chor das erste Mal im Jugendraum der Vicelinkirche, wo er bis heute seine Heimat hat. Und das Jubiläumskonzert, das gerade zu Ende geht, ist ein fulminates Geburtstagsgeschenk, das sich der Chor selbst beschert hat, der Gemeinde und natürlich Jesus. Denn der steht am Anfang von allem und hat auch zu dieser Party eingeladen.

„Wegen Jesus sind wir hier“, heißt es in einer der Zwischenmoderationen, in denen Chormitglieder wie in einer Mini-Predigt kurz andeuten, worum es im nächsten Gospel oder Spiritual geht, obwohl sich die Songs voller Lebenslust und tiefer Gläubigkeit ohne weitere Erläuterung auch aus sich selbst heraus mit teilen. Gotteslob, Gottvertrauen und die unbändige Freude, dass der Herr mit der ersten Note mitten unter den Sängern ist.

Das hat manchmal etwas fast Naives. Der Vers „Wir sind alle Kinder Gottes“ scheint unmittelbar Wirklichkeit zu werden. Es braucht kein übliches Chorkonzertritual, kein langes Einstimmen, auch keine besondere Präzision in den Einsätzen. Hier ist alles das, was man als Rezensent sonst so in sein Notizbüchlein schreibt, plötzlich ohne Bedeutung. lt''s Partytime!

Auch die Gemeinde muss man nicht lange bitten mit zusingen. Die gängigen Gospels wie „Oh happy day“, „Old time Religion“, „Down by the riverside“ und das Spiritual „Michael row the boat ashore“, das dem Ensemble den Namen gab, sind auch im kühlen Norden längst Allgemeingut. So dringt die Begeisterung beim exaltierten Clap hands rasch bis in die letzte Reihe.

Dass man den Level dieser Begeisterung auch leicht überstrapazieren kann, weil sich Höhepunkte nicht beliebig reihen lassen - die Schwäche so mancher Gospelkonzerte, die sich zu Jahresanfang die Kirchentürklinken in die Hand geben - fällt hier nur selten ins Gewicht. Allenfalls die leiseren Töne versinken zuweilen im bunten Partytreiben von Gospels Gnaden. Dafür zeigen einzelne Sänger umso mehr ihr solistisches Talent. Bariton Bernie etwa, der das Kirchenschiff mit Leichtigkeit und ohne Mikro zum Schwingen und Swingen bringt.

Am Anfang steht wie bei jedem Konzert von Gospelboat die frohe Botschaft: Am Ende hat sie sich in einen alle Zuhörer eingemeindenden Groove verwandelt. Und das, so scheint es dann, ist sowieso ihr eigentlicher, tieferer Sinn.

JÖRG MEYER


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